Wenn die Ewigkeit sich selbst vergisst
Wenn die Ewigkeit ihr Schweigen bricht, geht das immer mit einer Offenbarung einher. Dieses Gedicht erzählt von der ewigen Suche nach dem verlorenen Seelenanteil. Und vielleicht ist dir schon mal ein Mensch begegnet, den du als deinen Seelenverwandten erkannt hast. In diesem Erkennen verbirgt sich der zarte Kuss der Ewigkeit.
Manche nennen sie auch Zwillings- oder Dualseelen. Es scheint, als seien diese Konzepte ein Auswuchs unserer modernen Zeit. Aber weit gefehlt. Schon Platon wusste über die Sehnsucht, dass der Mensch auf der Suche nach seiner anderen Hälfte sei, zu berichten. In meiner Rubrik „Hast du es gewusst?“, die ich zu jedem Gedicht hinzufüge, findest du mehr Informationen zu Platos Idee.
Vielleicht sind es auch Anima und Animus, wie Carl Gustav Jung es benannte, die auf der Suche im anderen nach sich selbst sind.
Viele Konzepte gehen mit großer Verwirrung einher. Möglicherweise ist es nicht viel mehr als die heilige alchemistische Vereinigung der verloren geglaubten Seelenanteile in uns selbst.
Es ist nicht auszuschließen, dass wir diesen verloren geglaubten Seelenanteil unserer Selbst dort finden, wo sich auch unser Gold befindet.
Wenn die Ewigkeit ihr Schweigen bricht
Erzitternd in glühendem Begehren
aus brechenden Wehen des Lichts
ließ sie das dunkle Nichts
Vergangenheit und Zukunft gebärenZerrissen in Form und Zeit
hat sie in den Stoff der Vergänglichkeit
die Fäden der Hoffnung verwoben
im traumhaften Schimmern vom RegenbogenIm berauschenden Rhythmus hat es sie hingerissen
dem reißenden Strom von Vergessen
hat sie bedingungslos sich hingegeben
dieser Welt von Werden und VergehenIm Entzücken ihrer endlos falschen Masken
hat sie sich selbst verlassen
und getrennt mit einem Schlag
was jenseits der Zeit innigst verbunden ineinander lagVon weit her sind wir gekommen
in den Strömungen kosmischer Gezeiten
suchend in endlosen Weiten
voller Sehnsucht wie benommen
ließen wir uns treiben von den Winden
nur um uns wiederzufindenSie ließ uns mit sterbenden Sternen fliehen
und in sonnigen Untergängen neuer Welten wieder auferstehen
sie ließ uns in prächtigen Nebeln ruhen
bevor wir im Sturm des Seins suchend weiter flohenIm endlosen Jetzt – bewahrt vor der Zeit
ist behütet was einst das Herz einer Seele war
von den Schleiern des Vergessens befreit
was in der Asche verborgener Glut sich barg
als die Ewigkeit ihr Schweigen brachDes ewigen Funken Angesicht
im strahlenden Leuchten das nie erlischt
werden alle Masken zu Staub verwischt
der zarte Kuss der Ewigkeit erweckt
des vereinten Herzens Glück
wenn die Ewigkeit ihr Schweigen bricht© 2022 Carmina Philia
Hast du es gewusst?
Die Sehnsucht nach Ganzheit
Begriffe wie Seelenpartner, Dualseelen oder Zwillingsflammen sind heutzutage weit verbreitet. Vor allem Kartenleser verdienen sich mit diesen Konzepten ein Zubrot. Denn es scheint so, als sei die Sehnsucht nach dem „anderen“ Teil von uns ungebrochen.
Auf Platons Symposium (datiert auf etwa 385 – 370 v. Chr) wurden in feuchtfröhlicher Runde, denn ein Symposium ist nichts anderes als ein Trinkgelage mit anregendem Gedankenaustausch, Lobeshymnen auf den Liebesgott Eros gesungen. Und so soll es der komödiantische Dramatiker Aristophanes gewesen sein, der die Sehnsucht nach Ganzheit mit dem Kugelmenschen in Verbindung brachte.
Auf den Punkt gebracht: aus einem Körper mit vier Beinen und vier Armen, die am Rücken verbunden und deren Gesichter der Welt und nicht einander zugewandt sind, wurden nach einem Gewaltakt der olympischen Götter zwei Menschen mit nur noch zwei Armen und Beinen. Seither sind wir auf der Suche nach unserer anderen Seelenhälfte. Zudem gab es drei Geschlechter: die rein männlichen und weiblichen sowie die androgynen, also eine Hälfte weiblich, die andere männlich.
Man stelle sich nun vor: da sitzen sechs Männer zusammen, die sich die Kante geben und über Eros reden. Möge jeder seine eigenen Schlüsse ziehen.
Die Mystische Hochzeit, wie sie im Rosarium dargestellt wird
Von der einstigen Einheit zweier Menschen wussten schon die Sumerer zu berichten. So wurde dann auch dieser Mythos in die Antike hinübergerettet und nicht zuletzt in unzähligen Variationen bis in unsere heutige Zeit. Wie mit so vielen Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden.
In der Psychologie würde man wohl eher von der innerlichen Vereinigung, der mystischen Hochzeit unserer Seelenanteile, reden, wie sie im Rosarium dargestellt ist. Wenn es uns gelingt, eine gesunde Beziehung mit uns selbst zu führen, sind auch unsere Beziehungen in der äußeren Welt fruchtbar und erfüllend.
Kugelmensch hin oder her, tatsächlich sollte man sich gut überlegen, was man sich wünscht, denn es könnte einem gewährt werden.
Bildnachweis „Roi et Reine Alchimie.“ anonyme (ouvrage: Le Rosaire des philosophes) – Google-domaine public
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